Rekord-Eisschnellläuferin Bundespolizei prüft umstrittenen Auftritt von Claudia Pechstein bei CDU-Konvent Sie sollte beim Grundsatzkonvent der CDU über Sport reden, aber Claudia Pechstein sprach sich auch für die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber aus - und trug dabei Polizeiuniform. Die Beamtin muss jetzt mit Konsequenzen rechnen.

18.06.2023, 14.53 Uhr

Claudia Pechstein beim CDU-Grundsatzkonvent am 17. Juni in Berlin Foto: Michael Kappeler / dpa

Eine umstrittene Rede der Eisschnellläuferin Claudia Pechstein auf dem Grundsatzkonvent der CDU könnte für die 51-Jährige Konsequenzen haben. Pechstein hat bei der Veranstaltung in Berlin für eine Stärkung des Vereins- und Schulsports geworben - sich aber auch streitbar zu Themen wie der Asyl- und Sicherheitspolitik geäußert. Pechstein ist Polizeihauptmeisterin und war bei dem Konvent in ihrer Uniform aufgetreten.

So gekleidet mahnte sie Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber an. Das sorge, sagte Pechstein, für mehr Sicherheit im Alltag. Öffentliche Verkehrsmittel "ohne ängstliche Blicke" nutzen zu können, gehöre zu Problemen, die besonders Ältere und Frauen belasteten. Verbesserungen dort sollten wichtiger sein, "als darüber nachzudenken, ob wir ein Gendersternchen setzen oder ob ein Konzert noch deutscher Liederabend heißen darf oder ob es noch erlaubt ist, ein Zigeunerschnitzel zu bestellen", sagte Pechstein.

© Michael Kappeler/dpa

"Allein die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen zu können, ohne ängstliche Blicke nach links und rechts werfen zu müssen, gehört zu den Alltagsproblemen, die viele, besonders ältere Menschen und auch Frauen belasten." Darüber würde ihrer Meinung nach zu wenig gesprochen. "Hier für Verbesserung zu sorgen, sollte uns grundsätzlich hundertmal wichtiger sein, als darüber nachzudenken, ob wir ein Gendersternchen setzen oder ob ein Konzert noch deutscher Liederabend heißen darf oder ob es noch erlaubt ist, ein Zigeunerschnitzel zu bestellen", macht Pechstein deutlich.

Die Bundespolizei äußerte sich inzwischen auf Twitter, sie habe am Samstagmittag von dem in Rede stehenden Vorgang erfahren. Ein Sprecher des Bundespolizeipräsidiums bestätigte dem SPIEGEL auf Nachfrage, dass die Bundespolizei "unverzüglich eine dienstrechtliche Prüfung eingeleitet" habe. Auf die Fragen, wie lange die Prüfung dauert und was Pechstein droht, antwortete der Sprecher nicht.

Kritik von SPD bis Böhmermann

Mit ihrem Auftritt in Polizeiuniform hat Pechstein die Gemüter erhitzt. Der SPD-Innenpolitiker Sebastian Fiedler schrieb auf Twitter: "Eine Polizeibeamtin in Uniform schwingt Parteitagsreden? Ich reibe mir gerade ungläubig die Augen." Er fordere vom Bundesinnenministerium Transparenz und Nachbereitung dazu. Fiedler nutzte in seinem Tweet den Hashtag "Neutralitätspflicht".

Bundestags-Vizepräsidentin Petra Pau (Linke) schrieb auf Twitter: "Befasse mich seit 25 Jahren mit Beamten und Disziplinarrecht, nicht nur im Innenausschuss, dazu kommt Parteienfinanzierung und Zeugs - dieser Vorgang ist außerhalb von jeder tolerablen Möglichkeit."

Der ZDF-Moderator Jan Böhmermann kommentierte den Auftritt mit den Worten: "Als Bundespolizeibeamtin in fucking Uniform auf dem CDU-Parteitag eine Rede halten: ich glaube, es hackt bei CDU und Bundespolizeibeamtin!"

Beamte unterliegen der Neutralitätspflicht

CDU-Wahlplakat mit Claudia Pechstein in Berlin im August 2021
Foto: ANNEGRET HILSE / REUTERS

Eine CDU-Sprecherin sagte der Deutschen Presse-Agentur, dass vor der Rede nicht klar gewesen sei, dass Pechstein eine Uniform der Bundespolizei tragen werde. Die Polizistin habe ihrer Kenntnis nach aber eine Tragegenehmigung für die Uniform. Die Äußerungen Pechsteins wollte die Sprecherin nicht kommentieren.

Doch auf dem Twitteraccount der CDU heißt es - zumindest in Bezug auf die Sätze zum Thema Sport: "Danke für den Impuls, Claudia Pechstein!"

Schleswig-Holsteins Bildungsministerin und stellvertretende Parteivorsitzende, Karin Prien, lobte am Sonntag auf Twitter den "exzellenten CDU-Grundsatzkonvent". "C. Pechstein sollte ihre Perspektive zu Sport und Ehrenamt beitragen", schrieb Prien. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums wollte sich zunächst nicht äußern.

Beamte unterliegen nach dem Beamtenrecht der Neutralitätspflicht. Im Bundesbeamtengesetz heißt es: "Beamtinnen und Beamte haben bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergeben."

Pechstein gewann bei Olympischen Winterspielen fünfmal die Goldmedaille, außerdem holte sie jeweils zweimal Silber und Bronze. Bei den Spielen 2022 in Peking durfte sie gemeinsam mit Bobpilot Francesco Friedrich bei der Eröffnungsfeier die deutsche Fahne ins Olympiastadion tragen. Trotz ihrer mittlerweile 51 Jahre zählt Pechstein national noch immer zu den besten Eisschnellläuferinnen, internationale Medaillen sind für sie aber außer Reichweite geraten.

Die Wintersportlerin war 2021 für die CDU in Berlin bei der Bundestagswahl angetreten, jedoch nicht ins Parlament eingezogen.


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